Race across America
4 800 km, von der Westküste der Vereinigten Staaten bis zur Ostküste. Das hat Ralph Diseviscourt geschafft: in 9 Tagen, 12 Stunden und 33 Minuten. Auf dem Fahrrad wohlgemerkt. Mit einem Team von 13 Personen ist Dizzy nach Amerika aufgebrochen und hat eine unglaubliche Leistung vollbracht. Aber auch sein Team hat seinen Teil zum großen Erfolg von Dizzy beigetragen. Man mag nicht von einem ersten oder zweiten Platz bei einem solchen Ultra-Rennen reden denn eigentlich ist jeder, der sich einer solchen Herausforderung stellt, ein Sieger.
Mit einem Vorwort von Mike McQuaide und Fotos von Rom Helbach, der als Fotograf unbedingt dabei sein wollte, spricht dieses Werk nicht nur Sportbegeisterte an. Die Gestaltung ist sehr aufwendig und mit viel Liebe zum Detail gemacht. Die Fotos von ganz persönlichen Momenten zeigen, welcher Herausforderung sich alle gestellt haben. Die “Sportpässe” geben einen Überblick des komplexen Aufgabenfeldes und stellen jedes Mitglied des Teams kurz inklusive persönlicher Angaben vor. In deutsch und französisch verfasst, spricht es ein großes Publikum an.
Auf 176 Seiten dokumentiert mit wunderschönen Farbfotos und einem Tagebuch für jeden einzelnen Tag des Rennens ist dieses Buch eine Art Zeitzeuge für das Team Dizzy. Für den Leser ist es, meiner Meinung nach, ein überaus interessantes und lesenswertes Werk. Ich habe es in einem Rutsch gelesen und wurde mit jeder Seite respektvoller vor dieser übermenschlichen Leistung. Auch wollte ich unbedingt noch mehr von Ralph Diseviscourt erfahren und habe mir erlaubt, ihm einige Fragen zu stellen:

Wie bist du zu dem Fahrradfahren gekommen? Was fasziniert dich an dieser Sportart?
Als Jugendlicher bin ich gelegentlich Rad gefahren, rein aus Spaß und ohne größere sportliche Ambitionen. Mit Freunden nahmen wir mehrmals beim „24 Stonne Velo Woolz“ teil, das damals jährliche Highlight in meinem Rennradkalender. Daraus hat sich im Laufe der Jahre eine Leidenschaft für diesen Sport entwickelt. Ich gab jedoch stets meinen Studien und meinen Anfängen in der Finanzwelt erste Priorität. So dauerte es bis 2003 als ich im zarten Alter von 27 Jahren meine erste Rennlizenz unterschrieb und versuchte im nationalen Amateur-Milieu Fuß zu fassen. Eine sehr harte Schule, jedoch ließen die ersten bescheidenen Erfolge nicht lange auf sich warten. So kann ich heute auf 5 nationale Meistertitel im Zeitfahren zurückblicken und sagen, dass ich fast alles in diesem Bereich erreicht habe was in meinen Möglichkeiten lag. Von einer Profikarriere stets weit entfernt, hatte ich eine große Vorliebe für längere und härtere Rennen, respektiv Jedermann-Rennen (Cyclosportives) im bergigen Gelände. Eher zufällig bin ich im Sommer 2011 die Tour du Mont Blanc gefahren (330km, 8000hm, 7 Pässe) und konnte das Rennen auf Anhieb gewinnen. Ich hatte Blut geleckt. Bei solchen Rennen kommen unbeschreibliche Emotionen hoch wann man über die Ziellinie rollt, und die will man immer wieder erleben. Ich mag es mich im Freien zu bewegen an der frischen Luft, weshalb ich auch bei jedem Wetter draußen unterwegs bin und praktisch nie drinnen auf der Rolle oder im Fitnessstudio trainiere! Es gibt nichts schöneres als im Sommer einen Alpenpass hochzuradeln und die Aussicht zu genießen. Man erlebt Regionen und Länder ganz anders auf 2 Rädern als wenn man im Auto unterwegs ist. Auch heute bei meinen Ultratouren, egal ob nach mehreren Tagen Anstrengung auf dem Rad, nehme ich mir Zeit die Landschaft auf mich wirken zu lassen und jeden dieser Momente aufzusaugen. In den letzten 4-5 Jahre habe ich mich mehr und mehr dem Ultrasport verschrieben. Obwohl es sich sehr wohl um Rennen handelt, steht nicht nur ausschließlich der Wettkampf im Vordergrund: es sind regelrechte Abenteuer und Expeditionen die man gemeinsam mit dem Begleiterteam durchlebt. Es herrscht auch eine ganz spezielle Stimmung in dem ganzen Umfeld von Ultrafahrern und Betreuern, geprägt von großem gegenseitigem Respekte und Fairplay. Auch wenn man alleine in die Pedale treten muss, so ist Ultraradsport dennoch keine Individualdisziplin: das Team spielt eine bedeutende Rolle je länger die Strecke. Die dritte Komponente neben einer exzellenten körperlichen Verfassung des Fahrers und einer gut eingespielten Crew ist die mentale Stärke des Athleten. Rennen wie zum Beispiel das Race Across America (RAAM) werden eher mit dem Kopf entschieden als mit den Beinen!

Solche Ultrarennen und deren Vorbereitung sind nicht ohne familiären Halt zu bewerkstelligen. Eine sportbegeisterte Familie also?
Das Ausüben von „normalem“ Rennradsport ist bereits sehr zeitaufwendig, wenn man erfolgreich sein will. Beim Ultrasport ist der Aufwand nochmal erheblich größer, da es noch bedeutendere Trainingsumfänge abzuspulen gilt. Bei mir beispielswiese hat sich die Zahl der Trainingskilometer pro Jahr von rund 15.000km als Amateur bis heute auf über 45.000km verdreifacht Den Sport neben Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen ist nicht immer einfach und verlangt natürlich viel Geduld und Unterstützung vom familiären Umfeld! 40 Stunden im Büro mit bis zu 50 Stunden Radfahren pro Woche gegen Ende der Vorbereitungsphase nagen sicherlich an den Energiereserven. Ich weiß mittlerweile aber auch dass ich auf diesem Weg Erfolg haben kann, was mich wiederum anspornt weiter hart an mir zu arbeiten. Ein gewisses Maß an Egoismus ist sicherlich vorhanden wie bei jedem Hochleistungssportler, jedoch muss man auch zu jeder Zeit Rücksicht nehmen auf die Familie. Ich finde Zuhause den nötigen Rückhalt um mein Training abzuspulen und die Rennen zu bestreiten.
Wie gehst du mit der Nahrungsumgestaltung und dem Schlafentzug um? Trainierst du während Monaten langsam aber stetig in die Richtung oder kannst du kurzfristig “umschalten”?
Da ich Vollzeitbeschäftigter und Familienvater bin habe ich nicht die Möglichkeit mir einen multi-phasischen Schlafrhythmus anzutrainieren wie andere das tun. Ich muss es nehmen wie es kommt, und bin sozusagen auf Knopfdruck gezwungen mit dem Schlafentzug zurecht zu kommen. Ich komme im Alltag jedoch allgemein mit relativ wenig Schlaf aus da ich morgens um halb fünf aufstehe um mit dem Rad 60km oder mehr zur Arbeit zu fahren, Sommer wie Winter. Was die Ernährung angeht habe ich bisher bei den Rennen auf traditionelle Festnahrung zurückgegriffen und nur von Zeit zu Zeit auf Gels oder andere hochdosierte Fertigpräparate. Das hat den Vorteil, dass ich unterwegs keine Verdauungsproblem kriege was oft ein Grund ist warum Fahrer aufgeben müssen. Andererseits „verliere“ ich damit viel Zeit da ich zur Aufnahme anhalten muss, die Uhr aber bei solchen Rennen stetig weiter läuft. Die Alternative lautet Flüssignahrung: einfach zu handhaben und zu dosieren, kein Zeitverlust, jedoch extrem monoton, wenn man eine Woche oder noch länger Tag und Nacht den gleichen Brei oder Shake zu sich nehmen muss.

Welche spezifischen Herausforderungen stellen diese Rennen an dein “Werkzeug” das Rennrad?
Das Material und die Technik heutzutage sind so weit entwickelt, dass die Rennräder ohne Probleme den Ansprüchen gerecht werden. Für Ultrarennen wird jedoch dem Komfort deutlich mehr Rechnung getragen als etwa der Aerodynamik und dem Gewicht. Es ist extrem wichtig seine Sitzposition zu optimieren um eventuellen Beschwerden vorzubeugen. Technische Defekte können zwar auch auftreten, in der Regel jedoch nicht öfter als im normalen Alltag. Ein nicht zu unterschätzendes Detail ist zum Beispiel die Farbe der Bekleidung: komplett in weiß gekleidet inklusive Helmes und Schuhe ist die enorme Hitze der Mojave Wüste (>45°) beim RAAM deutlich einfacher zu ertragen als mit standard Schwarz.
Wie lange ist deine Erholphase nach solch einem Rennen? Gibt es körperliche Beschwerden bei solch einer Überbelastung? Trainierst du auch andere Sportarten um deinem Körper einen Ausgleich zu schaffen?
Die Erholung hängt vor allem von der Länge des Rennens ab, aber auch von der körperlichen Verfassung mit welcher man aus dem Rennen heraus kommt. Beim RAAM nach den 5.000km kann es schon mal 5-6 Monate dauern bis man komplett erholt ist. Es ist eine extreme Anstrengung für den Körper in jeglicher Hinsicht. Ich plane auch nie mehr als 3-4 Rennen pro Jahr. Zu einem finden die Wettkämpfe immer nur zwischen April und Oktober statt, andererseits braucht es 6-8 Wochen um sich von einem 1.000km Rennen zu erholen und neue Form für den nächsten Termin aufzubauen. Ich ziehe es vor weniger Ziele im Jahr zu haben, dann aber bei vollen Kräften zu sein. Andere fahren deutlich mehr Rennen pro Jahr, jedoch nicht auf demselben Niveau. Körperliche Beschwerden gibt es viele und treten unweigerlich früher oder später auf, man kann nur versuchen sich so gut wie möglich körperlich vorzubereiten um den Moment soweit wie nur möglich zu verzögern, und sich mental darauf einzustellen. Es ist nicht ohne Risiken da wie beim RAAM die klimatischen Schwankungen den menschlichen Körper bis an Limit bringen zusammen mit der enormen Anstrengung und Erschöpfung. Sitzbeschwerden, brennende Fußsohlen, taube Finger, Rücken- und Knieschmerzen, Sonnenbrand, Atembeschwerden, Lungenentzündungen, Versagen der Nackenmuskulatur, Sekundenschlaf, Verkehrsunfall (wir fahren auf offener Straße), … die Gefahren lauern überall. Man begibt sich auf eine permanente Gradwanderung. Ich trainiere ausschließlich auf dem Rennrad und betreibe keinen Ausgleichsport. Ich habe lediglich meine Nackenmuskulatur mit spezifischen Übungen gestärkt. Ich muss aber auch zugeben, dass die Beine mir immer am wenigsten Probleme bereiten da sie am besten vorbereitet sind. Beim RAAM werde ich begleitet von 1-2 Physiotherapeuten und einem Arzt die mich medizinisch überwachen.
Wie bereitest du dich mental vor?
Mentale Stärke ist sehr wohl wichtig während den Rennen wie etwa bei 1.000km Gegenwind im Kansas beim RAAM oder wenn man sich ein Duell mit einem Mitstreiter liefert. Aber es ist noch schwieriger und wichtiger sich Tag für Tag, über Monate und Jahre, zu motivieren um sein Trainingspensum abzuspulen, bei jeden Witterungsbedingungen, Sommer wie Winter. Ich finde diese Disziplin macht es erst möglich sich solchen Herausforderungen wie dem RAAM zu stellen und schmiedet die mentale Härte des Athleten. Die Rennen sind nur die Spitze des Eisberges! Ich fahre über 45.000km im Jahr mit dem Rennrad, bedeutend mehr als die allermeisten Profis. Mit den Jahren habe ich gelernt was ich meinem Körper zutrauen kann, und ich kann mittlerweile dessen Signale interpretieren und dementsprechend reagieren, sowohl im Training wie auch in den Rennen. Ich weiß auch was ich tun muss um zum richtigen Moment in Bestform zu sein, und greife dabei nicht auf die Ratschläge von einem Trainer zurück. Ich trainiere nur nach Gefühl, vor allem aber auch je nach meinem prall gefüllten Terminkalender. Wenn ich auch nur eine freie Stunde zur Verfügung habe schwinge ich mich auf mein Rad. Ich fahre viele kleinere Trainingseinheiten, und nicht, wie man vermuten könnte, viele lange Touren. Den Weg zu meinem Arbeitsplatz in Luxemburg Stadt lege ich per Rad zurück, zwischen 60 und 100km, und wenn möglich versuche ich in der Mittagspause eine weitere Ausfahrt von 50-60km einzubauen. So komme ich auf ein Wochenpensum von rund 800km im Winter, und bis zu den schon erwähnten 1.500km kurz vor den Saisonhöhepunkten. Wenn ich weiß, dass ich meine Hausaufgaben gemacht habe vor einem Wettkampf, dann bin ich voller Selbstvertrauen dass ich dies auch in Resultate umsetzen kann. Man hat keinen direkten Einfluss auf die Gegner und tut gut sich vor allem auf sich selbst zu konzentrieren und sein Rennen. Wenn es reicht um zu gewinnen ist es natürlich perfekt, wenn jedoch ein anderer schneller ist muss man sich dies auch eingestehen können. Finanziell gibt es nichts zu gewinnen, wir machen diesen Sport aus purer Leidenschaft!

Wie kann man sich die Teamarbeit vorstellen? Wird das aufeinander einspielen abgesprochen oder läuft das automatisch da ihr euch schon länger kennt?
Mit den Jahren habe nicht nur ich an Erfahrung und Selbstvertrauen gewonnen, sondern auch mein Begleiter Team. Sie wissen mittlerweile was auf sie zukommt, wie ich reagiere, sie kennen meinen Macken und ich ihre. Das macht vieles einfacher. Neulinge werden ohne Problem integriert und eingeweiht. Abläufe werden in Team Meetings besprochen und Organisatorisches geregelt. Die Aufgaben des Teams sind sehr vielfältig: Sicherheit gewährleisten, Verpflegung, moralische Unterstützung, mechanische Probleme beheben, Navigation, Mediaaufgaben, medizinische Versorgung, etc.
Gibt es überhaupt neben dem Radsport noch Freizeit für anderes?
Neben Familie, Beruf und Radsport bleibt leider sehr wenig Zeit für andere Hobbys. Im Winter nehme ich mir Zeit um 3-4 mal im Monat zu Kegeln mit Freunden im Verein. Ich spiele seit ich laufen kann und habe ich immer noch Spaß damit.
Was ist dein nächstes Lebensziel? Sei es privat, beruflich oder sportlich.
So lange ich gesund bleibe und es mir Freude macht, möchte ich weiter diesem Sport nachgehen. Es gibt noch einige großartige Rennen, die ich bestreiten möchte.

Einen großen Dank an Ralph und sein Team, die uns durch dieses Buch wunderbare Einblicke in dieses unglaubliche Abenteuer erlaubt haben.
Mein Fazit zu dieser Leistung und diesem wunderschönen Buch? Es gibt wohl nur die Grenzen, die wir uns selbst setzen… Absolut lesenswert!
Mit ein bisschen Glück könnt Ihr das Buch jetzt gewinnen. Um am Gewinnspiel teilzunehmen, postet DIZZY unter meinem letzten Post auf meiner Facebookseite. Das Gewinnspiel läuft bis zum 21. Dezember 2018.
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