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Lautlos

von Anouk Mahr

Mit 19 Jahren sein erstes Werk zu veröffentlichen, welches über 300 Seiten umfasst, ist bemerkenswert. Wenn die Geschichte von einer Jugendlichen handelt, die die Fähigkeit zu Sprechen verloren hat, horcht man auf. Wie kommt man zu so einer Geschichte?

Anouk Mahr erzählt von Lucinda, die als 16-Jährige von ihrer Außenwelt abgeschnitten ist. Weder Wörter noch Laute kann sie mit ihren Lippen formen. Die Gebärdensprache ist für sie die einzige Möglichkeit, sich mitzuteilen. Doch in ihrem Kopf sprudelt es nur so von Wörtern, Sätzen, Emotionen, und vor allem von Ängsten. Sie ist blockiert… in ihrem Ganzen. Langsam findet sie den Weg aus dieser Stille heraus. Aber dieser Weg ist schwer… sehr schwer und birgt viele Rückschläge. Am Endejedoch  wird Lucinda klar, was sie in diese Lautlosigkeit geführt hat.

Klar, man muss sich als ‘erwachsener’ Leser auf die Geschichte einer jugendlichen Protagonistin einlassen können. Nach den ersten 50 Seiten fällt einem das jedoch nicht mehr schwer, denn die Geschichte fasziniert und lässt einen nicht mehr los.

Sich auf das Buch einzulassen hat für mich auch bedeutet, mich in den Kopf einer Jugendlichen zurückzuversetzen und mir die Gefühle, die man in dem Alter hat, wieder aufzurufen. Aber irgendwann ist das Alter der Protagonistin in den Hintergrund gerückt und es ging vor Allem um die menschlichen Hintergründe, um Traumata, die unglaublich Schlimmes bewirken können, aus denen man aber auch in langsamen Schritten wieder herausfinden kann.

Wohl ist es, meiner Meinung nach, auch das junge Alter der Autorin, das die Geschichte der jungen Lucinda so unheimlich authentisch wirken lässt. Insbesondere ist es aber ihre hohe Sensibilität, die sie durch ein solch schwieriges Thema wie Mutismus und den damit verbundenen emotionalen, physischen aber auch psychischen Hindernissen zeigt. Während des Lesens, habe ich mich immer wieder bei demselben Gedanken ertappt: die Autorin ist wohl eine Art ‘Alte Seele in einem jungen Körper’. Anders ist diese Tiefgründigkeit, diese unglaubliche Leichtigkeit mit der sie sich in Worten auszudrückt und dieses unbeschreibliche Einfühlungsvermögen, für mich, nicht zu erklären.

Einen, für mich persönlich, bedeutungsvoller Abschnitt im Buch war:

„Stumm.

Aber tief im Inneren weiß ich, dass es nicht so einfach sein kann. Natürlich ist da noch was, da muss doch noch was sein, tief in meiner Erinnerung…“

Interview mit der Autorin

Schon mit 15 Jahren hast du Texte verfasst und publiziert. Wie entstand die Idee zu deinem ersten Buch?

Die Inspiration zu meinem ersten Buch entstand aus meinem Interesse für Psychologie heraus. Schon immer fand ich dieses Thema faszinierend. Da ich die täglichen Eindrücke meines Lebens stets mit Texten verarbeite, ist die Idee für dieses Buch wie von selbst entstanden.

Was war die Inspiration zu dem Thema?

Das komplexe Krankheitsbild von Menschen, die aus psychologischen Gründen nicht reden, hat meine Neugier geweckt. Um es besser verstehen zu können, fing ich an darüber zu recherchieren. Da ich ein verträumter Mensch bin, der es nicht unterlassen kann, sich zu allem Möglichen Geschichten auszudenken, ist so auch Lucindas Geschichte entstanden.

Nun zu einer sehr persönlichen Frage, wieviel von dir steckt in der Hauptprotagonistin in Lautlos?

In meiner Hauptprotagonistin mag mehr von mir stecken, als mir bewusst ist (zum Beispiel bin ich eher ein scheuer Mensch). Selbstverständlich ist die Handlung frei erfunden und ich habe, was Lucindas Geschichte und Umstände betrifft, keinerlei Gemeinsamkeiten mit ihr. Ich bin hingegen der Meinung, dass der Autor eines Textes sich nie ganz von seinen Geschichten dissoziieren kann. Damit meine ich, dass jedes Element, das in meine Geschichten einfließt, mir zwangsläufig unter irgendeiner Form bereits begegnet ist, sei es in Büchern, die ich gelesen habe, oder in meinem wirklichen Leben.

Fällt es dir persönlich leichter, dich durch das Schreiben auszudrücken? Deine Ideen und Gedanken aus dem Kopf herauszulassen?

Ja, für mich ist das viel leichter, da ich meine Gedanken auf diese Weise besser ordnen und veranschaulichen kann. Des Weiteren verhilft das Schreiben meiner Meinung nach zum Ausdruck von vielen Emotionen, die bei einem Gespräch vielleicht unbemerkt vorüberziehen würden.

Es ist die Publikation deines ersten Buches und das mit erst 19 Jahren. Welche Gefühle löst das in dir aus?

Ich kann die Tatsache, dass ich meinen sehnlichsten Traum verwirklicht habe, immer noch nicht richtig fassen. Das Schreiben war mir immer schon wichtig und ist ein Teil von mir, weshalb dieser Erfolg mir sehr viel bedeutet.

Von allen Büchern, die du bis jetzt gelesen hast, welches ist das Wertvollste für dich?

Ich habe viele Bücher gelesen, die mir alle auf eine andere Art gefallen haben, weshalb ich jetzt kein konkretes Werk nennen könnte. Gute Bücher zeichnen sich für mich dadurch aus, dass sie einerseits unterhalten, aber es auch schaffen, den Leser in irgendeiner Form zu berühren und zum Nachdenken zu bringen. Die wirklich wertvollen Bücher sind für mich jene, die es vermögen, den Geist eines Menschen auf positive Art und Weise zu beeinflussen und sie zu einer besseren Person zu machen. Wenn jemand nach dem Lesen den Buchdeckel schließt und die Welt mit anderen Augen sieht, ist das für mich ein Zeichen dafür, dass ein Buch seinen Zweck erfüllt hat

Fazit :

Anouk Mahr hat mich mit ihrem außergewöhnlichen Buch tief im Herzen berührt. Sowohl ihr Schreibstil als auch die unglaubliche Tiefe, die sie aus sich herauszuholen vermag, lassen mich beeindruckt zurück. Ich hoffe, dass Anouk uns noch weitere Geschichten erzählen wird.

Editions Guy Binsfeld

Roman

360 Seiten

ISBN 978-99959-42-36-6

22 Euro

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Martine

Martine

Musik, Natur, Sport, Kunst und Kultur und vor allem Lesen. Dies sind einige meiner vielen Interessen. Geboren in Luxemburg und wohnhaft im Westen, bin ich in der Mitte des Lebens angekommen und genieße dessen Vielfalt jeden Tag aufs Neue.    Die Literatur ist für die Menschheit das, was Träume für den Einzelnen sind. Isabel Allende  

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